Die Jury des Wettbewerbes „Radiopoesie – Poesie braucht nicht nur Tinte“ freute sich im Jahr 2012 über ein ganze Anzahl vielseitiger Texte von jungen Autoren aus ganz Sachsen-Anhalt. Sie reichten von einem gesungenen Lied über sprachgewandte deutsch-englisch Spielereien, freimetrischen kurzen Gedichten bis hin zu zehn minütigen Kurzgeschichten. Unser Dank gilt dem Friedrich-Bödecker-Kreis Sachsen-Anhalts, schließlich wurden vor allem Texte eingereicht welche Schüler in einer Schreibwerkstatt in Güntersberge erstellten und einsprachen.

Die Jury hatte es dieses Jahr also um einiges schwerer, eine Entscheidung zu fällen, doch sie musste getroffen werden. Keines der Gedichte war Poesie in Reinform, doch nichts desto trotz ein Genuss beim Anhören. Überzeugen konnte letztlich das Gedicht „Atem“ von Alexandra Behrend:

Warm schließt mein Vater seine Hand um meine

und sagt mir: Schwesterchen kommt bald zurück.

Andauernd seh ich im Fernsehen das Lächeln meiner Schwester.

Jahre vergehen, doch sie kommt nicht zurück.

 

Und wenn ich dann frag, wo sie denn bleibt,

schaun sie nur blöd und reden über die Zeit

wo wir noch alle zusammen hier saßen

redeten, lachten, und zu Mittag aßen.

 

Mein Atem verfliegt in der Luft wenn ich Deinen Namen sprech.

Ich weiß nicht wo er hin fliegt, vielleicht findet er Dich

und richtet Dir aus: Schwester hat Dich lieb,

hier ist es so einsam, komm doch bald zurück.

 

Jahre vergehen, doch Du kamst nicht zurück

ich vergaß Dein Gesicht und fand mein Glück.

Ein netter Ehemann, zwei Kinder dazu.

Ich bin mir sicher: eins schaut aus wie Du.

 

Eines Tages wird es im Radio publik:

Hört alle her, das vermisste Mädchen ist zurück.

Mama ruft an und ich hör wie sie weint

im Hintergrund mein Vater, wie er keucht und schreit.

Sie sagt: jetzt brauche ich keine Angst mehr zu haben,

sie haben sie gefunden, auf nem Friedhof vergraben.

 

Mein Atem verfliegt in der Luft wenn ich Deinen Namen sprech.

Ich weiß nicht wo er hin fliegt, vielleicht findet er Dich.

und richtet Dir aus: Schwester hat Dich lieb,

hier war es so einsam, zum Glück bist Du zurück.

Eine Familie vermisst eine Tochter, das Lyrische-Ich eine Schwester. Der Text verarbeitet die Emotionen zwischem bangem Warten und trauriger Gewissheit. Es ist die Abwesenheit des schwesterlichen Lebens, woran die junge Autorin beim Atmen erinnert wird und welchem sie mit dem Gedicht Ausdruck verleiht. Dabei schafft sie es die Ereignisse als autobiographisches Ereignis darzustellen. Die Reimstrukturen sind nicht immer konsequent eingehalten, doch überzeugte das Gedicht nicht nur durch die Form, sondern auch die Art und Weise des Vortragens.

Die 17-jährige freute sich über einen Gutschein. So sieht die glückliche Gewinnerin aus:

Das Gedicht ist hier zu hören:

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Liebe Alexandra, wir gratulieren Dir herzlich & wünschen Dir mit Deinem Gewinn viel Freude! Allen Teilnehmenden herzlichen Dank & viel Erfolg für alle anstehenden Aufgaben.